Marketing-Leiter und –innen haben es schwer. Sie befinden sich – unabhängig von der Branche – per se in einem dynamischen Umfeld. Geändertes Konsumverhalten, gesättigte und diversifizierte Märkte, professionalisierte Beschaffungsprozesse oder ein revolutioniertes Mediennutzungsverhalten: Als Marketer ist man einem laufenden Änderungsprozess unterworfen, an den man sich stets neu anpassen muss. Aber diese Berufsgruppe sitzt nicht nur deshalb auf „heißen Stühlen“. Vielmehr sind es oftmals ambitionierte, teils unrealistische Ziele, die aus einer attraktiven Marketingposition einen Schleudersitz machen. Genau das stellte neben anderen schon vor einigen Jahren eine breit angelegte Studie[1] unter rund 1.700 Unternehmen aus sechs europäischen Ländern fest: Bemerkenswerterweise trifft die Schuld demnach aber nicht die Marketing-Manager! Vielmehr fand man die Unternehmensstrategen selbst als Ursache des Übels, das dazu führt, dass die an das Marketing gestellten Ziele regelmäßig verfehlt werden. Worin begründet sich nun aber konkret die aus der erwähnten Zielverfehlung folgende, oftmalige Neuorganisation von Marketingabteilungen und Auswechslung deren Leiter? Typischerweise vernachlässigt das Top-Management wichtige Marketingthemen und fokussiert überwiegend auf klassische Instrumente wie Kostenreduktion oder Prozessmanagement. Solche marketing-feindlichen „Brand-agnostic Companies“ vergessen demnach oftmals an Kundenbedürfnissen orientierte, marktkonforme Angebote und Lösungen zu entwickeln. In solchen Unternehmen wird der Aufgabenbereich des Marketings nicht nur stark beschnitten, sie sind auch weniger erfolgreich als Unternehmen, die Marketing und Marke einen hohen Stellenwert beimessen – die Fakten sprechen eine klare Sprache: Die kleinste Gruppe, jene der stark marketing-orientierten bzw. „Brand-guided Companies“ weist einen fast doppelt so hohen operativen Gewinn wie der Branchenschnitt auf. Entscheidend ist allerdings nicht die Höhe des Kommunikationsbudgets, sondern dass alle Schlüsselaktivitäten (Produktentwicklung, Kundenservice, Vertrieb, Produktion, etc.) an einem klaren Wertversprechen ausgerichtet sind und den strategischen Managementprozess effektiv unterstützen. Dabei muss die Marketingorientierung von der gesamten Geschäftsführung vorgelebt werden.

Der Marketing-Alltag sieht allerdings – und das trifft besonders auf Österreich zu – meist ganz anders aus: Das große Marketing-Missverständnis zeigt sich zumeist über das definierte bzw. eingeschränkte Aufgabenspektrum. Marketing-Abteilungen, die eigentlich nur die Rolle einer Kommunikationsabteilungen einnehmen und als Hauptaufgabe das Kommunikationsmittelportfolio und die Homepage verwalten, sind nach wie vor weit verbreitet. Jene, die einen wesentlichen und nachhaltigen Beitrag zur Gestaltung des bestehenden Geschäftsmodells erbringen dagegen äußerst selten. Die Seltenheit dieser Spezies rührt auch daher, dass Geschäftsführungs- und Vorstandsetagen nur selten mit Marketeers besetzt werden. Doch erst, wenn die wesentlichen Fragen der Unternehmensstrategie nach dem eigenen Leistungsversprechen und Angebot, den Zielgruppen, Vertriebskanälen und Zielmärkten, Schlüsselressourcen und -aktivitäten usw. marktorientiert beantwortet sind, wird man nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können.

In Zeiten dynamischer und volatiler Umfeldbedingungen bedarf es deshalb leistungsstarker Marketingeinheiten, die ihren Beitrag zur umfassenden Unternehmensstrategie zu leisten im Stande sind. Unternehmen, die ihr Marketing im Wesentlichen auf den Kommunikationspart reduzieren, machen die Rechnung ohne Wirt: Marketing ist neben allen Neuerungen – insbesondere in der Onlinekommunikation – letztlich immer noch die profitable Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Zur Erreichung dieses Metaziels bedarf es eines starken Marketings mit einem klaren, unternehmensstrategischen Fokus. Marketing muss ein wesentlicher Treiber der strategischen Ausrichtung des Unternehmens werden!

[1] Managing Brands for Value Creation, Booz & Company, 2005